Achtsamkeit, auch Mindfulness genannt, bedeutet, bewusst im gegenwärtigen Moment zu sein – ohne zu urteilen. Jon Kabat-Zinn, Begründer des MBSR-Programms (Mindfulness-Based Stress Reduction), definiert Achtsamkeit als eine besondere Form der Aufmerksamkeit: „Bewusst, im Augenblick und ohne Bewertung.“
Während Konzentration sich auf ein einzelnes Objekt richtet, ist Achtsamkeit eine offene, weite Wahrnehmung für Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und äußere Eindrücke.
Psychologischer Nutzen von Achtsamkeit
Zahlreiche Studien zeigen: Achtsamkeit stärkt die psychische Gesundheit.
- Stressabbau: Achtsamkeit senkt nachweislich das Stresshormon Cortisol.
- Depression: Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT) hilft, Grübel-Schleifen zu unterbrechen und Rückfällen vorzubeugen.
- Angst & Panik: Achtsamkeit ermöglicht, Gefühle wahrzunehmen, ohne von ihnen überwältigt zu werden.
- Selbstwahrnehmung: Sie schult den Umgang mit Gedanken und Emotionen und stärkt innere Klarheit.
Allerdings ist Achtsamkeit kein Allheilmittel. Kritiker wie Ronald E. Purser („McMindfulness“) warnen vor einer Kommerzialisierung und der Reduktion auf Leistungssteigerung.
Anwendungsgebiete von Achtsamkeit
In der Psychotherapie und im Alltag wird Achtsamkeit vielseitig eingesetzt:
- MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction): Ein 8-Wochen-Programm gegen Stress.
- MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy): Wirksam bei Depression.
- MBPF (Mindfulness-Based Relapse Prevention): Rückfallprävention bei Abhängigkeit.
- ACT (Acceptance and Commitment Therapy): Hilfe bei Angststörungen.
- DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie): Achtsamkeit in der Borderline-Behandlung.
Darüber hinaus kann Achtsamkeit in Meditation, Yoga oder alltäglichen Routinen wie Essen, Atmen oder Gehen geübt werden.
Achtsamkeit als Lebensstil
Achtsamkeit stammt aus der buddhistischen Psychologie, hat sich aber als weltanschaulich neutrale Praxis etabliert. Sie fördert:
- Akzeptanz: Gefühle annehmen statt verdrängen.
- Nicht-wertende Haltung: Erfahrungen weder als „gut“ noch „schlecht“ einstufen.
- Fokus auf den Moment: Loslassen von Gedanken über Vergangenheit und Zukunft.
Die buddhistische Satipatthana Sutta beschreibt die vier Grundlagen der Achtsamkeit:
- Körper – Empfindungen, Atmung, Bewegungen.
- Gefühle – angenehm, unangenehm oder neutral.
- Bewusstsein – Beobachtung des Gedankenstroms.
- Geistesobjekte – innere und äußere Wahrnehmungen.
Beispiele für Übungen der Achtsamkeit im Alltag
- 5-4-3-2-1-Methode: Wahrnehmung über alle Sinne, um ins Hier & Jetzt zu kommen.
- Atem als Anker: Atemzüge bewusst spüren.
- Achtsames Zuhören: Vollständig präsent im Gespräch sein.
- Kerzen-Übung: Fokus auf die Flamme, Gedanken ziehen lassen.
- Achtsames Gehen: Körperempfindungen beim Laufen wahrnehmen.
- Alltags-Achtsamkeit: Beim Duschen, Essen oder Telefonieren innehalten und bewusst fühlen.
Ursprung und Forschung
Achtsamkeit ist ein zentrales Prinzip buddhistischer Praxis. Heute wird sie wissenschaftlich breit untersucht. Die größte Studie – das ReSource-Projekt am Max-Planck-Institut – zeigte positive Effekte auf Wohlbefinden, Gehirn, Immunsystem und soziale Fähigkeiten.